Appell des Vereins Wir Frauen im Sport an den SK Rapid Wien aus Gründen

Foto: Mareike Boysen

Frauen müssen für ihren selbstverständlichen Platz im Stadion und in den großen und kleineren Strukturen des Systems Fußball andauernd kämpfen. Das ist für uns, den Verein Wir Frauen im Sport, nicht nur kollektives Wissen, sondern für viele unserer Mitglieder gelebter Alltag. Insofern kann uns ein Transparent voll misogyner Sprache, wie es sich beim Heimspiel des SK Rapid gegen den TSV Hartberg am 21. Juni am leeren Block West wiederfand, nicht ernsthaft schockieren. Erschüttert hat uns dagegen die zuerst nicht existente und darauf verharmlosende Reaktion eines Vereins, der sich, so dessen oftmals zitiertes Leitbild, einer „sozialen Verantwortung für eine offene Gesellschaft“ verschrieben hat.

Entschuldigung bleibt substanzlos

Auch eine phrasenhafte Presseaussendung mit dem offenkundigen Ziel der Image-Schadensbegrenzung nimmt den am Sonntag ausgestellten Kommunikationsstrategien der Vereinsführung nicht ihre symptomatische Bedeutung – zumal durch jene bislang keine Einsicht ins eigene Fehlverhalten erfolgt ist. Die im Nachhinein formulierte pauschale „Entschuldigung bei allen Frauen“ fordert nicht nur die halbe Menschheit dazu auf, sich vom Block West angesprochen zu fühlen, sie bleibt vor allem, da sie auf die Fans, also andere, verweist, substanzlos und ist zurückzuweisen. Weder ist das Transparent des Anstoßes noch ist sein stundenlang gleichgültiger Umgang damit ein bedauernswerter Einzelfall.

Im Gegenteil: Die frauenfeindlichen Tendenzen bis offenen Praktiken einiger im Block West vertretener Ultra-Organisationen sind bekannt. Uns berichten immer wieder weibliche Rapid-Fans davon, dass sie wegen wiederholter Anfeindungen ihren Stehplatz im Allianz-Stadion haben aufgeben müssen. Insofern ist die strukturelle Ausgrenzung selbst, die Unterrepräsentiertheit von Frauen im Block West, als Teilbedingung zur Entwicklung eines unerschrocken entmenschlichenden, be- und insbesondere abwertenden (Fern-)Verhältnisses zu Frauen zu betrachten.

Es bedurfte des Hinweises einer Frau

In keinem Fall sind agitatorische oder poetische Auswüchse eines peinlich massiv männerdominierten Systems, das sich noch immer zu großen Teilen als geschlossen begreift, als „Spiegelbild der Gesellschaft“ neutralisierbar, wie es Rapid-Geschäftsführer Christoph Peschek versuchte. Es ist kein Zufall, dass es der deutlichen Hinweise einer Frau, der Sky-Reporterin Constanze Weiss, bedurfte, um die Vereinsführung kurz vor Anpfiff des Spiels zum Einsatz für die Entfernung des Transparents zu bewegen.

Und selbst wenn Pescheks Spiegelbild-These haltbar wäre: Es macht einen Unterschied, ob Frauenfeindlichkeit in privaten Strukturen, also unter Ausschluss der Öffentlichkeit, passiert – oder ob sie in einem Fußballstadion großformatig zelebriert werden darf. Sportvereine haben, selbst ohne dezidierten Vermerk im Leitbild, immer einen gesellschaftspolitischen Auftrag zur Gestaltung; sie und ihre sichtbaren AkteurInnen füllen, im Rahmen des menschlich Möglichen, Vorbildfunktionen aus. Die bezeichnenden Eigenschaften des (Achtung!) „Sportsmannes“, darunter Respekt für GegnerInnen aller Art, lassen sich nicht umsonst in diverse Lebensbereiche übersetzen.

Wer – im konkreten und übertragenen Sinne – jede mögliche Transparentbeschriftung mit den Schlagworten „Demokratie und Meinungsfreiheit“ verteidigt, wer im Einzelfall nicht zwischen Kritik und Verachtung unterscheidet und sich allein auf das Kriterium strafrechtlicher (Nicht-)Verfolgbarkeit verlässt, wird weder seiner Verantwortung als Sportvereinsvertreter und Stadionbetreiber noch als Einzelperson gerecht. Die immer wieder erneuerten Bekenntnisse des SK Rapid gegen Diskriminierung aufgrund von Herkunft, sexueller Orientierung und/oder Geschlecht müssen die alltägliche und akute Handlungsebene erreichen. Grundlage dafür ist ein Bewusstsein für Spiegelbild-ferne gesellschaftliche Missverhältnisse in den eigenen Rängen und Strukturen.

Insofern, geschätzte Verantwortliche des SK Rapid Wien: Nehmen Sie sich Ihr eigenes Leitbild vor, hören Sie auf, von „Männersport“ zu reden, richten Sie ein Damenteam ein und machen Sie klar, wohin Frauen gehören: ins Stadion und auf den Platz.

Verein Wir Frauen im Sport
Wien, 23.06.2020

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Mareike Boysen (Generalsekretärin)
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